Es war ein Morgen, wie aus einem Charles-Bukowski Roman – einer von den deprimierenderen.
Ich wachte auf im Zehn-Quadratmeter-Zimmer eines drittklassigen Hotels, das schon bessere Zeiten gesehen hatte und an dem am Abend zuvor noch hunderte volltrunkener Jugendlicher unter dem Absingen schmutziger Lieder vorbeigezogen waren. Der dumpfe Geruch dutzender Vormieter hing in der Luft und der schale Rest einer Dose Jacky-Cola, den ich am Abend zuvor in meiner Verzweiflung in mich hineingeschüttet hatte, war auch nicht dazu geeignet mich in eine bessere Laune zu versetzen.
Eine “grandiose Veranstaltung”, hatte der Flyer versprochen … “da musst Du unbedingt hin” hatte ich gedacht. Es hätte mich irritieren sollen, dass unsere Public-Relation Verantwortliche und ich die letzten treuen Seelen waren, die verblieben waren, nachdem sich der Geschäftsführer und ein weiteres leitendes Mitglied kurzfristig in eine bessere Welt gerettet hatten. Irgendetwas hatte ich wohl nicht mitbekommen. Mein Fehler. “Ehrengast” stand auf meiner Karte – nicht dass dies irgendeine Bedeutung gehabt hätte, da es ohnehin offensichtlich keine Differenzierung gab – vom Oberbürgermeister vielleicht abgesehen. Wahrscheinlich bedeutete es lediglich, dass ich keinen Eintritt bezahlt hatte. Immerhin, der Welcome Drink war noch frei, genau wie die vollständig vegane Karikatur eines Buffets, das in keinster Weise geeignet war, Alkoholgenuß in irgendeiner Form zu kompensieren. Später, in der Pause, gab es dann gar nichts mehr zu essen. Nunja, auch die Kultur muss sparen. Wäre nur schön gewesen, wenn man das vorher gewusst hätte.
Wir verbrachten drei Stunden in einem architektonisch beeindruckenden, aber schlecht klimatisierten Saal, in dem eine Temperatur herrschte, die man andernorts zum Ausbrüten von Straußeneiern benötigt. Unterhalten von einem schlecht vorbereiteten Moderator, der sich in erster Linie darin gefiel, Drittpersonen zu dissen – was zwar lustige Lacher produzierte, aber irgendwie aus meiner Sicht ziemlich unter der Gürtellinie war – sehnte ich das Ende herbei. Durst hatte ich auch, da das Management auf die teuflische Idee gekommen war, keine Getränke im Zuschauerraum zuzulassen. Dies erinnerte mich zwar sehr kurzlebig an die Konzerte meiner Jugend, war aber für eine Kulturveranstaltung mit distinguierten, erwachsenen Menschen ein wenig unwürdig und führte dazu, dass wohlgekleidete Personen jeglichen Alters edle Weine vor den Türen des Saales auf “ex” abkippten.
Die “After-Party” hatte man clevererweise auf eine Location in hinreichender Entfernung gelegt, und die vollmundige Ankündigung des Moderators, dass es jetzt “unten bestimmt noch was zu trinken gäbe”, entpuppte sich als plumpe Täuschung. Durch das Foyer wehte ein kühler Wind und müde Bedienstete des Caterers fegten bereits letzte Servietten zusammen. “Wir müssen dann mal los”, entschuldigten sich meine Mitgäste “wir haben noch eine lange Heimfahrt”. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Ich selbst bevorzugte eine stille, schnelle Flucht in die nächste Dönerbude und besorgte mir an einem Straßenkiosk unter den mitleidigen Augen eines Obdachlosen besagte Dose Jacky-Cola, bevor ich mich in mein Hotelzimmer zurückzog und unter der beruhigenden Geräuschkulisse irgendeines “Ruf mich an”-Senders in einen traumlosen Schlaf fiel. “Allein in einer fremden Stadt” ist auch nicht wirklich ein Partymodell.
Jetzt sitze ich hier und schreibe diese Zeilen, um den Kopf auf Touren zu bringen und meine Lebensgeister wiederzuerwecken. Vielleicht wäre ein Mettbrötchen dazu besser geeignet. Selbst die Sonne versteckt sich hinter den Wolken, und unten auf der Straße werden die letzten Fahrzeuge aus einer Parkverbotszone abgeschleppt. Im Fernseher läuft eine Krimi-Wiederholung aus den 70ern in der aus einer Hofeinfahrt leise und klagend ein Saxofon tönt. Es ist Muttertag.