24.11. Dong Jia Du Lu, China Town
27.11. Ikea
28.11. Souzhou, Humble Administrators Garden, Lions Grove Garden, Silk Mill, Zhouzhuang
29.11. Changning, Vernal Garden
30.11. XuPu Bridge, Airport
24.11. – zehnter Tag
Heute nimmt Sabine mich im Bus mit zum Stoff- und Kleidermarkt. Zunächst fahren wir mit dem Taxi zur Bushaltestelle. Der Taxifahrer hat einen chinesischen Glücksbringer im Wagen – eine Grille in einem Plastikbecher, die einen unglaublichen Lärm macht. Wer bei so einer Geräuschkulisse den ganzen Tag die Nerven behält muss in der Tat ein glücklicher Mensch sein. Von dort fahren wir für dreißig Cent (für zwei Personen) eine knappe Stunde mit einem klapperigen alten Doppeldecker quer durch die City. Kassiert wird am Anfang, und die Schaffnerin kann sich offensichtlich die Endhaltestelle jedes einzelnen Passagiers merken und wird richtig grantig, falls jemand weiter fährt, als er bezahlt hat. Zum Glück konnten wir noch einen Platz auf dem Oberdeck erwischen, und so habe ich durch schmutzblinde Scheiben einen tollen Ausblick auf die Dächer der Häuser an denen wir vorbeifahren, und den unglaublichen Krempel, der dort das ganze Jahr gelagert wird.Am Endhaltepunkt angekommen besuchen wir eine chinesische Markthalle, von denen ich ja schon die eine oder andere gesehen habe, aber da wir heute recht früh sind, gibt es viel Platz zum Fotografieren, und vergleichsweise sauber ist sie noch dazu. Als zweites Frühstück gönne ich mir mal wieder einen Dumpling mit undefinierbarer Füllung aus der dazugehörigen Garküche unter den amüsierten und neugierigen Blicken der Betreiber. Sabine schmunzelt, als ich mich anschließend mit meinem chinesischen Heilschnaps desinfiziere, aber sicher ist sicher …
Von dort aus bummeln wir noch ein bisschen bei traumhaftem Sonnenwetter über die Dong Jia Do Lu, wo ein Schneider neben dem anderen residiert. Näherinnen sitzen hier mitten auf der Straße und winken einem fröhlich zu, wenn man sie fotografiert, Stoffhändler preisen ihre Tücher an, und wenn man möchte kann man hier einen kompletten Anzug für sechzehn Euro erstehen. Hier weist mich Sabine auf die Schlafplätze der Verkäufer hin – eine Box unter der Decke der Shops, meist nur maximal einen halben Meter hoch, von den Ausmaßen einer kleine Matratze und leicht zu übersehen, wenn man es nicht besser weiß.
Natürlich dürfen auch die allgegenwärtigen Garküchen nicht fehlen und ich erlebe das einzigartige Schauspiel, wie ein Koch Nudeln mit einer Art Maurerkelle von einer großen Teigrolle direkt in siedendes Wasser schneidet. Schupfnudeln auf chinesisch sozusagen. Wir entdecken auch eine große Pfanne mit frittierten Bällchen, die ausgesprochen lecker aussehen, und auch genauso schmecken, obwohl ich schon wieder nicht ermitteln kann, ob ich eigentlich Fisch, Fleisch oder Gemüse esse. Dann ist es schon wieder Mittagszeit, und Sabine muss sich leider verabschieden da Sonja bald aus der Schule kommt.Auf meinem weiteren Weg, der mich erneut durch verwinkelte aber sonnendurchflutete Gassen und Hinterhöfe führt (es ist ein herrlicher Tag), treffe ich auf ein paar ältere, rüstige Damen, die grade dabei sind, eine Wäschestange festzumauern. Sie können sich kaum halten vor Lachen, als ich die Szenerie fotografiere und werfen mir fröhlich chinesische Sätze an den Kopf, von denen ich natürlich kein einziges Wort verstehe.
Ich ziehe einen großen nordwestlichen Bogen Richtung Fuxing Lu / Yü Garden, und lande erneut auf einer Marktstraße. Diese unterscheidet sich jedoch deutlich von allen bisher gesehenen, denn hier gibt es nicht nur Gemüse und die üblichen, lebenden Wassertiere, sondern Gewürze so weit das Auge reicht. Tonnenweise Chillies, Sternanis, Pfeffer, Orangenschalen, Nüsse, Ingwer und Dutzende von Säcken, die andere, verführerisch duftende, teilweise auch grässlich stinkende Substanzen enthalten. Auch hier werde ich freudestrahlend begrüßt, man hält mir Pülverchen und merkwürdige getrocknete Dinge unter die Nase und amüsiert sich köstlich, dass ich mit diesen Substanzen nichts anzufangen weiß. Fast tut es mir leid, als die Straße zu Ende ist, aber es gibt noch so viel zu sehen, und ich bin schließlich nur zwei Wochen hier.
Seitlich der Fuxing Lu entdecke ich eine Seitenstraße, die sich scheinbar ganz dem Handwerk verschrieben hat. Hier stehen Waschmaschinen, Fernseher, Stereoanlagen und alle sonstigen Elektroartikel, die man sich nur denken kann – teilweise mit fürchterlichem Lärm in Betrieb. Direkt daneben gibt es Eisenwaren jeder Art, und in einem kleinen, kioskähnlichen Laden bietet ein Werkzeugmacher seine Schreinerwerkzeuge an. Als ich das pittoreske Häuschen fotografieren will, kommt er herausgestürzt und wedelt wild mit einem Stück Holz, so dass ich schon vermute, er möchte nicht abgelichtet werden. Aber nein, weit gefehlt, er freut sich, dass mir sein Laden gefällt, begrüßt mich und steht stolz daneben, als ich mein Foto mache. Aber das Highlight finde ich am Ende der Straße – eine chinesische Schlosserei. Straße und Hausfassade sind rostrot durchgefärbt und drei genauso rostrote Gestalten sind gerade dabei, ein großes Stahlgestell zusammenzuschweißen – mit einfachen Blues-Brothers-Sonnenbrillen als Blendschutz. Als sie mich bemerken halten sie mit der Arbeit inne, und winken mir zu, als wären Sie Popstars – das wird wohl der herzlichste Tag meiner Reise werden.Langsam wird es Abend, und auf meinem Weg zurück gönne ich mir ein paar Spießchen und einen spinatgefüllten Teigfladen, der zwar sehr lecker ist, dem ich aber nicht ganz traue, weil er schon lauwarm ist. Bei dieser Gelegenheit kann ich live miterleben, wie chinesische Süßigkeiten produziert werden. Eine Körnerfrucht (Sesam?) wird mit einem klebrigen Sirup (Honig?) zusammengebracht, und so lange mit großen Holzhämmern traktiert, bis eine homogene Masse entstanden ist, die dann portionsweise verkauft wird – natürlich alles auf offener Straße.
Ich beschließe die heutige Tour mit einem Teehausbesuch in einem recht neuen, sehr schönen Park in der Nähe des Yü Garden, der, wie ich später erfahre Sabine noch in reger Erinnerung ist: Sie hatte in einem Wohn und Einkaufsviertel einen kleinen Buchladen entdeckt, der ihr gut gefallen hatte und ca. drei Monate später versucht, ihn wieder zu finden. Sie kurvte mit dem Taxi mehrere Male um den Block, und zweifelte schon an ihrem Orientierungsvermögen, bis sie feststellte, dass es den kompletten Block nicht mehr gab, und stattdessen binnen der drei Monate dieser Park errichtet wurde. So läuft Stadtplanung in China – Bewohner werden übrigens umgesiedelt, ob es ihnen passt oder nicht.
Abends steht ein größeres Event an – Armin van Buuren live im DKD! Wir zahlen stolze 25€ pro Nase, erleben aber dafür einen Abend der Extraklasse. Der Laden ist brechend voll, die Stimmung einfach nur gigantisch und Gogos und Fingerfood runden den Gesamteindruck nur noch ab. Überflüssig zu erwähnen, dass die Musik an diesem Abend einfach nur genial ist. Sven muss ja am nächsten Tag arbeiten und irgendwann in den frühen Morgenstunden fahre auch ich todmüde nach Hause.
Fr 25.11. – elfter Tag
In Anbetracht des gestrigen Abnds lasse ich es heute wirklich langsam angehen. Ich stehe gegen 13:00 auf, fahre ins Carrefour, Sushi und eine große Flasche Cola kaufen – Katerfrühstück. Anschließend lege ich mich bei achtzehn Grad Außentemperatur und strahlendem Sonnenschein mit freiem Oberkörper auf den Balkon und genieße den Rest vom Tag, während ich mich langsam regeneriere. Gegen 18 Uhr ruft Sven an und will mit mir Teppanyaki essen gehen. Das “Tairo” ist knallvoll aber zum Glück hat Sven reserviert und so bekommen wir einen Platz direkt an der großen Stahlplatte. All you can eat AND drink für nur 15€! Wer Teppanyaki nicht kennt: Man sitzt als Gast quasi direkt an der großen Herdplatte aus Edelstahl, die frischen Zutaten werden mit wenig Sojasoße direkt vor den Augen des Gastes gegrillt und sofort serviert. Dazu gibt es Sake, Pflaumenwein oder das allseits beliebte Tsingtao Bier. Die Karte ist freundlicherweise mit Fotos illustriert, und so wählen wir nach Herzenslust aus Spargel-Schinkenröllchen, Muscheln, King Prawns, Rinderfilet oder Krabbenfleisch mit Seetang. Als kleine Ergänzung Sashimi, dünn aufgeschnittenen rohen Fisch mit Sojasoße und Wasabi, der einfach nur phantastisch schmeckt. Kugelrund verlassen wir den Laden nach zwei Stunden und laufen das nächste Highlight an: Die Bar Rouge am Bund.
Wenn es in Shanghai einen Treffpunkt für jugendliche Dekadenz gibt, dann ist es die Bar Rouge. Hier, in elegantem Lounge-Ambiente treffen sich die Reichen und Schönen der Stadt, und lassen es bei House & RnB mächtig krachen. Im dritten Stock direkt am Bund gelegen, ermöglicht die große Terrasse einen phantastischen Blick auf das hell erleuchtete Pudong, während man sich einen Mojito für 6,50€ gönnt – für manche Shanghainesen ein kleines Vermögen, für andere nur ein Schulterzucken. Wenn die große u-förmige Bar mit hochprozentigem Alkohol übergossen und zu satten Bässen auf ganzer Länge in Brand gesteckt wird, dann weiß man, was man verpasst hat, wenn man NICHT da war.
Spät in der Nacht beehren wir dann noch den zweistöckigen “Dragon-Club”, und als ich dann im Morgengrauen mit dem Taxi nach Hause fahre, kann ich nur resümieren – es war ein großartiger Abend.
26.11. – zwölfter Tag
Wenn man um acht erst nach Hause gekommen ist, schläft man auch entsprechend lange, und so stehe ich erst so gegen 14:00 auf und fahre mit Sven und Sabine zu IKEA. Ja, tatsächlich, das unmögliche Möbelhaus hat es selbst bis nach China geschafft.Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem Hochhaus vorbei, an dessen Fassade sich gerade ein paar Maler zu schaffen machen. Sie sitzen in ca. 50m Höhe auf schmalen Holzbänken, die lediglich an simplen Hanfseilen von der Dachkante baumeln. Unglaublich, dass pro Jahr in Shanghai nur etwa vier dieser Kletterkünstler abstürzen.
Die Aufmachung im IKEA folgt den auch in Europa üblichen Standards, und die Möbel haben wenigstens annähernd westliche Preise, einzig die Haushaltswaren bekommt man hier zu einem Bruchteil der bei uns gewohnten Summen. Auch im Restaurant gibt’s die üblichen schwedischen Köstlichkeiten uns so frühstücke ich einen Teller mit Gravad Lachs und ein paar Köttbullar. Im Anschluss zieht Sven mit mir noch in eine Elektronik-Kaufhaus, aber da die Preise ohnehin auf europäischem Niveau liegen, und es in der Halle brütend heiß ist, machen wir uns auch bald wieder auf den Weg. Abends landen wir mal wieder im DKD, aber nach den beiden vorangegangenen Tagen werde ich da heute nicht alt …
27. 11. – dreizehnter Tag
Heute lassen wir es mal ganz ruhig angehen, ein gemütlicher Sonntag mit ein paar DVD’s, ein bisschen Sonne auf dem Balkon und so wenig Touristen-Stress wie möglich. Ich mache noch einen Abstecher zum Carrefour und buche für morgen noch einen Trip ins Nahe Umland, damit ich wenigstens noch ein bisschen was außerhalb der Stadt kennen lerne. Dass ich Sushi mitnehme ist ja mittlerweile obligatorisch … ;-))
28.11. – vierzehnter Tag
Es geht recht früh los, um 9:00 werde ich in der Lobby des XYZ in der Nähe der Stadt vom Reisebus aufgegabelt. Unsere Reise geht zunächst eine knappe dreiviertel Stunde nach Souzhou, wo wir in schneller Folge den Humble Administrators Garden, den Lions Grove Garden und die Souzhou Silk Mill besuchen werden. Man merkt recht schnell, dass wir nun in niedriges Land in Flussnähe kommen, die flachen Seen sind stellenweise so groß, dass man den Eindruck hat, man sei bereits am Meer.Der Humble Administrators Garden ist ein recht weitläufiges Gelände, mit großen Teichen, kleinen Pavillons für jede Jahreszeit und einer ungeheuer vielfältigen Pflanzenwelt. Hier lernen wir unter Anderem das Konzept des “borrowed view” am Beispiel einer weit entfernte Pagode, die durch die Bebauung und Bepflanzung so in Szene gesetzt wird, als gehöre sie zum Garten dazu.
Ein ganz anders Konzept verfolgt der weitaus kleinere Lions Grove Garden. Natürlich gehören auch hier die klassischen Elemente Gebäude, Felsen, Wasser und Pflanzen zum Szenario, aber der Schwerpunkt liegt hier eindeutig auf kunstvoll zu Labyrinthen zusammengetragenen Steinformationen. Stellenweise sind sie so verzwickt, dass man schon ein paar Minuten benötigt, um wieder auf einen Weg zu treffen, der aus dem Wirrwarr herausführt.Wenn man schon mal in China ist, sollte man unbedingt einmal eine Seidenspinnerei besuchen. Hier lernt man, wie sich Seidenraupen in einem Bett aus Maulbeerbaumblättern dick und rund fressen, um sich anschließend in großen Strohbündeln in ihren Kokon einzuspinnen. Das geschieht mit einem einzigen, endlosen, bis zu zwei Kilometer langen Seidenfaden. Wenn der Kokon fertig ist, werden die Seidenraupen durch ein Bad in kochendem Wasser abgetötet – das löst gleichzeitig die Bindungsstoffe des Seidenkokons, sodass der Faden nun mittels einer Haspel von diesem abgerollt werden kann. Dies geschieht immer mit mehreren Kokons gleichzeitig. Den Anfang des Fadens zu finden ist eine manuelle Tätigkeit, die traditionell von chinesischen Arbeiterinnen mit Borstenpinseln ausgeführt wird, es gibt jedoch mittlerweile auch Maschinen, die diese Arbeit übernehmen, und nur noch von einer Person bedient werden müssen. Anschließend werden die noch zu dünnen Einzelfäden erneut mit einender verdrillt und versponnen, sodass das fertige Seidengarn entsteht.
Ausgesprochen interessant ist auch die Fertigung der Bettdecken mit Seidenfüllung: Die Kokons werden geöffnet und die Raupe entfernt, dann wird der Kokon als Ganzes über einem Bügel gedehnt. Das an eine Mütze erinnernde Resultat wird nun auf einem etwa doppelt so großen Bügel erneut gedehnt. An diesem Bügel dürfen wir nun ausprobieren, wie reißfest das Material ist – es gelingt trotz aller Anstrengung nicht, mit dem Finger ein Loch hineinzustoßen. Auch die Zerreißprobe mit zwei erwachsenen Männern bleibt erfolglos.
Was nun kommt ist reine Knochenarbeit: Vier Frauen, jede an der Längsseite eines rechteckigen Tisches, nehmen die entstandene “Mütze” und ziehen sie unter großer Belastung für den Rücken so weit auseinander, bis sie die Größe des Tisches – einer Bettdecke – erreicht hat. Wir dürfen das mal ausprobieren, und ich bin wirklich froh, dass ich das nicht den ganzen Tag machen muss.
Anschließend gibt es natürlich die Möglichkeit, die Produkte der Spinnerei zu begutachten und zu kaufen, bevor wir mit dem Bus in ein etwas entfernteres Hotel zum Essen fahren. Das Mittagessen ist gar nicht schlecht, wir sitzen, wie in China üblich mit etwa zehn Personen an einem runden Tisch mit einer drehbaren Glasplatte in der Mitte und dann wird aufgefahren: scharfes Rindfleisch, aromatischer Seegras-Salat, knusprige Ente (wie immer mit Knochen), süßsaures Schwein, und noch eine Menge anderer Speisen, von denen ich oft nicht weiß, was es ist, mir aber trotzdem nicht nehmen lasse, alles mal zu probieren.
Dann geht es weiter nach Zhouzouang, dem “Venedig des Ostens”. Die winzige Stadt ist mittlerweile touristisch so erschlossen, dass man vor der Stadt Tickets kaufen muss, mit denen man dann erst an den Pförtnern der Eingänge vorbei darf. Das, und das leicht überzogen malerische Ambiente erweckt bei mir den Eindruck, eher auf einem Filmset, als in einer realen Stadt zu sein.Wir laufen zunächst eine Weile am Ufer der kleinen Flüsschen entlang, die die Stadt durchziehen, bevor wir an eine Anlegestelle der Personenkähne gelangen, von wo aus wir durch die Kanäle gerudert werden. Ich hätte hier gerne noch irgendwo eine Kleinigkeit gegessen, aber Zhouzhouang scheint genau eine Spezialität zu haben: glasierte Schweinekeule. Die gibt’s an jeder Ecke, und auf die habe ich so gar keine Lust.
Die Tour mit dem Kahn ist wirklich schön, nur leider viel zu schnell zu Ende, und so befinden wir uns schon relativ früh wieder im Bus Richtung Shanghai. Ich will eigentlich mit Sven noch was Essen gehen und lasse mich daher vom Bus in der Nähe des Peoples Square absetzen, aber Sven sitzt leider noch im Büro fest und so nutze ich die Zeit, um noch ein paar schöne Nachtbilder aus seinem Bürofenster über den Peoples Square und das Shanghaier Museum zu machen.Schließlich kann er sich endlich losreißen, und schlägt mir vor, nach dem Essen noch eine chinesische Massage zu genießen – schließlich bin ich die Tage viel unterwegs gewesen, und übermorgen ist schon Heimfahrt angesagt. Natürlich sage ich dazu nicht nein, und so kehren wir zunächst in einem kubanischen Restaurant ein, dass einem Hongkong-Chinesen gehört und lassen es uns bei Mojitos und leckerem spicy Fingerfood so richtig gut gehen.
Als wir das Lokal verlassen, steuert Sven schnurstracks quer über die Straße auf einen Laden zu, den ein billiges Neon-Schild “Massage” ziert, und in dessen Schaufenster sich bereits eine junge Chinesin räkelt, die außer ihren hohen weißen Stiefeln nicht wirklich viel an hat. “Das ist jetzt nicht sein Ernst” schießt mir durch den Kopf und ich lasse keinen Zweifel daran, dass er mich in DAS Etablissement ganz bestimmt nicht entführen wird. Sven lacht nur, und während ich noch überlege, wie ich aus dieser Nummer herauskomme, zieht er mich auch schon durch die daneben liegende Toreinfahrt in den Hinterhof des Komplexes. Wider Erwarten findet sich hier auch tatsächlich ein ausgesprochen seriöser Wellness-Tempel namens “Dragonfly”, der durch leise Musik, Bastmatten, Räucherstäbchen und ein extrem angenehmes Ambiente besticht. Wir buchen eine Aromaöl-Ganzkörper-Massage für 30€ pro Stunde und werden in einen Umkleideraum geführt, wo uns kurze, bequeme Hosen und ein Bademantel gereicht werden. Nachdem wir uns umgezogen haben, landen wir in einer Doppelkabine, nur durch einen Vorhang getrennt, und werden für die nächste Stunde aufs intensivste geknetet, gewalkt, mit duftenden Ölen eingerieben und mit heißem Wasser abgewaschen. Als ich so entspannt bin, dass ich am liebsten für den Rest des Abends liegen bleiben würde, ist leider auch schon Schluss, man reicht uns noch einen Tee zum Abschied, und ich ärgere mich, dass ich das nicht schon viel früher genossen habe.
Massiert werden macht müde, und da morgen mein letzter Tag anbricht, machen wir für heute Feierabend – es ist 23:30.
Di 29.11. – fünfzehnter Tag
Heute Mittag soll Svens Computer kommen, für den ich extra ein deutsches Windows und eine deutsche Tastaturmitgebracht habe, aber morgens nimmt Sabine mich noch einmal mit in ein weiteres echt chinesisches Kaufhaus im Stil eines hiesigen Wal-Mart. Ich will noch ein paar Klamotten für meine Kinder; und noch vielleicht das eine oder andere für mich kaufen. Sabine muss recht schnell wieder weg – irgendeiner ihrer vielen Thai-Chi-, Mandarin- oder Malkurse wartet auf sie, und so nehme ich mir jede Menge Zeit, um in der Riesen-Mall zu stöbern. Ich kaufe tolle Winterjacken für meine Kids für je sechs Euro, einen Windbreaker für mich für zehn Euro und verschiedene Sorten Tee für die Daheimgebliebenen.Da es schon fast Mittag ist, begebe ich mich ins Souterrain, wo ca. zwanzig(!) verschiedene Anbieter von chinesischem Fast-Food auf Kundschaft hoffen. Natürlich errege ich als offenbar einziger Europäer mal wieder jede Menge aufsehen, und von allen Seiten wird mir zugerufen und gewunken, ich möge doch herüber kommen und dort etwas essen. Ich entscheide mich schließlich für etwas, das aussieht wie ein scharfes Schweinegulasch – natürlich gibt es keine Chance, hier meine Annahmen auch nur im Ansatz zu überprüfen. Und so erwische ich leider zerhacktes Huhn, das zwar sehr lecker ist, mir aber ob der vielen Knochen ein bisschen den Appetit verleidet. Auch den Teppanyaki Grill bemerke ich erst, nachdem ich bereits bestellt habe – schade, das hätte ich gerne noch mal mitgenommen.
Aber ausgerechnet hier wird mir, nachdem ich mit dem Essen angefangen habe eine Plastikgabel angeboten – entweder haben meine Stäbchenkünste zu hilflos gewirkt, oder man wollte einfach nur besonders nett sein. Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass es sehr wohlwollend aufgenommen wird, dass ich lässig abwinke und mir tapfer weiter die knochigen Hühnerstücke in den Mund schiebe.
Da ich noch eine Menge Zeit habe, es wirklich tolles Wetter ist und der Heimweg gar nicht so weit aussieht (traue keiner Karte!) laufe ich einfach nach Hause – sind ja nur ein paar Kilometer – und mache noch ein paar schöne Fotos. Dort lege ich mich bei 18 Grad und strahlendem Sonnenschein ein bisschen in die Sonne, und verbringe den Rest des Tages damit Svens Computer in eine arbeitsfähigen Zustand zu versetzen.
Abends bin ich noch mit Rong zum Essen verabredet, einer netten kleinen Chinesin, die ich letzte Woche im DKD kennen gelernt habe. Sie holt mich mit dem Taxi ab, und entführt mich in ein typisch chinesisches Restaurant. Als wir dort ankommen, trifft mich fast der Schlag. Uns empfängt eine goldfarbene Fassade, ein roter Teppich und livrierte Bedienstete. Ich erkundige mich vorsichtshalber beim Kellner, ob ich hier mit Karte zahlen kann – da ich morgen fahre, habe ich nicht mehr viel Geld einstecken. Aber das ist zum Glück kein Problem. Die Karte mit den Menü-Fotos bekomme ich zwar zu sehen, das war’s aber dann auch. Meine zauberhafte Begleitung hält die Menükarte fest im Griff, schnattert fröhlich auf chinesisch mit dem Kellner, und als ich sie frage ob ich auch mal was bestellen darf, bekomme ich zur Antwort, das wäre bereits alles erledigt. Nun gut – andere Länder, andere Sitten – da ich fast alles esse, lasse ich mich überraschen. Später erklärt sie mir, dass das in China durchaus üblich ist, dass der, der sich auskennt, für alle bestellt.
Dann wird aufgefahren: Eine Art Sülze, frittierter Fisch, sautierte Krabben, Rindfleisch mit Pilzen, eine sehr leckere Suppe, kaltes Gemüse, dass ein bisschen salzig und nach Meer schmeckt und noch eine Menge anderer Köstlichkeiten. Ich frage Rong, wer das denn alles essen soll und lerne, dass es in China normal ist, mehr zu bestellen, als man essen kann, um nicht als geizig zu gelten, und dass Chinesen grundsätzlich nicht alles aufessen, da der Eindruck entstehen könnte, man sei nicht satt geworden. Dazu trinken wir chinesisches Bier und haben einen wirklich schönen Abend. Die Überraschung kommt beim bezahlen – die Karte hätte ich mir sparen können, wir zahlen für alles zusammen gerade mal 25€.
30.11 – letzter Tag
Heute ist leider schon der Heimflug angesagt. Ich habe viel gesehen und erlebt, gefeiert, versucht die Kultur aufzunehmen, und ca. fünfhundert Fotos gemacht. So groß, chaotisch und ambivalent diese Stadt ist, so spannend ist sie auch und ich könnte es hier durchaus noch ein paar Tage aushalten. Ich packe meine Koffer und verabschiede mich von meinen Freunden, bei denen ich den Aufenthalt wirklich sehr genossen habe. Dann trete ich meine letzte Taxifahrt in Richtung Flughafen Pudong an. Mein erster Asienaufenthalt hat sehr viel Spaß gemacht und hat viele interessante Eindrücke hinterlassen. Es wird mit Sicherheit nicht der letzte gewesen sein.