15.11. Ankunft
16.11. Fouzhou Lu, Bund, Pudong, Peoples Square
17.11. Fangbang Lu, China Town, Yu Garden
18.11. LongHua Tempel, Revolutionary Martyrs Cemetery
20.11. Xiangyang Market
15.11. – Erster Tag
Ich erlebe am Frankfurter Flughafen den schnellsten Check-In meines Lebens. Keinerlei Wartezeit am Counter, nach fünf Minuten bin ich fertig, und erfahre noch, dass mein Air China-Flug Miles-and-More anrechnungsfähig ist, da es sich um einen LH-Partnerflug handelt. Der Flug verläuft ereignislos und ruhig, das Essen ist OK, aber nicht der Reißer. Nur Salz und Pfeffer werde ich für den nächsten Air China-Flug mitnehmen, das gibt’s nämlich weder zum Essen, noch zum Tomatensaft. Noch im Flieger bekommen wir die Notwendigen Einreisedokumente: Zollerklärung, Gesundheitserklärung und Einreiseformular.
Shanghai, ich komme. Um 13:30 Ortszeit lande ich nach knapp zwölf Stunden Flug auf dem Pudong International Airport. Das Roaming mit D2 Vodafone klappt auf Anhieb. Prima. Noch vor der Passkontrolle überprüfen Thermalscanner diePassagiere auf erhöhte Körpertemperatur – die nehmen das wirklich Ernst hier. Die Abwicklung an der Passkontrolle läuft trotz der vielen Personen erstaunlich zügig. Ich habe mich entschieden, zunächst mit der neuen Magnetschwebebahn (Maglev) für umgerechnet 5€ nach Pudong Downtown zu fahren. Ich tausche noch ein paar Euro und rausche dann mit 430km/ in Richtung City. Dort steige ich um in ein Taxi und fahre zum Mariott ganz in den Westen Shanghais, wo mich Sabine, die Frau meines Freundes Sven, abholt, da das Compound, wo ich die nächsten zwei Wochen wohnen werde, wohl nicht ganz so einfach zu finden ist. Es ist ein wunderschönes kleines Häuschen in einer wirklich gelungenen Anlage mit nettem Springbrunnen und 24/7 Bewachung bzw. Service am Tor. Hier angekommen tauscht Sven meine SIM-Card gegen eine chinesische Prepaid-Karte, da das Roaming doch recht teuer ist.
Abends essen wir zuhause selbstgemachte Pizza und Salat, und da Sven es gar nicht erwarten kann, mir die City zu zeigen gehen wir Männer noch einmal auf die Rolle. Zunächst Billard spielen mit einem Arbeitskollegen sowie zwei netten chinesischen Freundinnen. Den Jackie-Coke gibt’s hier für 2,50€ und die Mischungen sind waffenscheinpflichtig. Nach mehreren Runden Billard und Jackie-Coke, der sich zum Standard-Getränk entwickeln wird, ziehen wir weiter ins “Baby Face”. Hier steppt Mittwochs um 1:00 der Bär. Der Bass vor dem DJ bringt die Hosen zum Flattern und verursacht schon fast Beklemmungen. Der Eintritt ist frei, die Preise moderat – ein Sechser-Tray “Sex on the Beach” für 16€. Vor der Tür auf der Strasse haben wir noch Fleischspießchen vom Holzkohlen-Grill gegessen (5St./1,50€) und Bettler abgewimmelt, die um die Uhrzeit noch mit kleinen Kindern unterwegs sind. Später nehmen wir noch einen Absacker im “Manhattan”, ein typischer Touri-Abschlepp-Schuppen, in dem allerdings fast nur Professionelle unterwegs sind. Zum Glück sind wir ja bereits in netter Begleitung, was die Mädels aber nicht davon abhält, uns beim Verlassen der Bar wie die Piranhas mit “Massage, Massage” zu überfallen. Eine versucht direkt mit mir ins Taxi zu steigen – für 200 RMB, knapp 20€, hätte ich sie mitnehmen können. Ich verzichte dankend. Für heute lassen wir es gut sein. Sven versucht allerdings mir im Taxi noch den Weg nach Hause zu erklären – nach dieser Tour kein ganz einfaches Unterfangen.
16.11. – Zweiter Tag
Shanghai begrüßt mich um 8:10 mit strahlendem Sonnenschein. Das Taxi wird mein Standard-Verkehrsmittel werden, für die Zehn Kilometer nach Downtown zahlt man etwa vier Euro. Als erstes möchte ich in die Fouzhou Lu (Lu = Straße) im “Foreign Bookstore” ein englisch-chinesisches Phrasebook und eine Stadtkarte kaufen – zwei unverzichtbare Utensilien in einer Stadt, in der 80% der Bevölkerung und 99% aller Taxifahrer kein Englisch sprechen. Den Buchladen finde ich schnell, aber dann geht’s auch schon los – der Laden hat sieben Stockwerke, die Fremdsprachenabteilung ist im dritten Stock, allerdings finde ich hier kein Phrasebook, bestenfalls ein Dictionary. Ich versuche mich durchzufragen – aber in der Fremdsprachenabteilung ist mit Fremdsprachen Fehlanzeige. Nach einiger Zeit merke ich, dass im siebten Stock noch eine Abteilung für “Imported Books” ist, wo ich dann auch korrekterweise mein “Lonely Planet” Phrasebook finde. Hier finde ich auch eine schön detaillierte englisch/chinesische Straßenkarte.Dann weiter zum Bund, der Prachtmeile Shanghais am westlichen Huangpu-Ufer. Hier stehen lauter alte Bauten im Kolonialstil, ein absolutes Muss für jeden Shanghai-Besucher. Auf dem Weg esse ich mal wieder leckere Fleisch- und Octopus-Spiesschen vom Straßengrill. Die nervigen Händler (“Watch, DVD, Postcard?”) lassen sich durch ein flüssiges “Bu yao” (Ich möchte nichts) recht gut auf Abstand halten. Allerdings finde ich keine Gelegenheit auf die andere Seite nach Pudong zu gelangen. Also rufe ich am Ende des Bundes, am Heldendenkmal, Sabine an und frag einfach mal blöd… Ich erfahre, dass ich entweder mit der Fähre (wo soll die sein?), dem Touristentunnel oder per Taxi über die Nanpu-Brücke nach Pudong komme.
Ich entscheide mich für den Tunnel – das klingt interessant, der soll “links von mir” sein. Ich überquere also den Souzhou-Creek und lande in einer Art Industriegebiet, wo viel gebaut wird und ich zunächst nicht mehr ans Ufer gelange. Also folge ich einfach mal der Straße. In einem kleinen Supermarkt kaufe ich mir für einen Euro einen chinesischen Kräuterschnaps, um die möglichen lebenden Restbestandteile der Straßenverkostung abzutöten – eine Vorgehensweise, die sich bereits im europäischen Ausland in mehrfachen Versuchen bestens bewährt hat.
Nach ca. 1km komme ich dann endlich auf eine kleine Seitenstrasse, die offensichtlich wieder Richtung Ufer führt. Hier winkt auch eine Frau mit bunten Tickets, von denen ich mir eines für 5€ kaufe. Das kommt mir zwar etwas viel vor, aber für eine Touristenattraktion – wer weiß. Wie sich jedoch herausstellt geht es hier zu einer Fähre, die offensichtlich sonst ausschließlich chinesische Arbeiter auf die andere Seite befördert – ich werde mit offener Neugier bestaunt. Ich lasse mir nichts anmerken und studiere stattdessen mein Ticket. Ich stelle fest, dass ich scheinbar eine Eintrittskarte für den gegenüberliegenden Vergnügungspark erworben habe… Auf der anderen Seite laufe ich zum Jin Mao Tower, dem vierthöchsten Gebäude Asiens, einer Pagode nachempfunden, ein echtes architektonisches Juwel.Überhaupt ist Shanghai eine Stadt der Superlative: 21 Millionen Bewohner auf knapp 4.000qkm Stadtfläche, die 4Mio. Handys besitzen, 50.000 Polizisten und ebenso viele Taxen, insgesamt 900.000 Autos, 30.000t Bauschutt pro Tag, 1.500t Essensabfälle und eine Luftverschmutzung, die 50 Mal so hoch ist wie die von ganz Deutschland. Die 50.000 Ärzte und 38.000 Schwestern haben einen Spender-Blutbedarf von ca. 70.000l/Jahr.
Ich mache kurze Rast in einem der wunderschönen Parks, die über ganz Shanghai verteilt sind, und gönne meinen untrainierten Beinen eine kurze Pause. Dann fahre ich mit dem Aufzug in 35 Sekunden ins Foyer des Grand Hyatt im 53. Stock des Jin Mao Tower und genieße bei einem phantastischen Cabernet Sauvignon für 6,50€ incl. “Shanghai Daily” und scharfen Erdnüsschen den phantastischen Blick über den Huangpu Fluss und die Shanghaier City aus 250m Höhe. Die Schilder “Do no climb” muten witzig an, machen aber durchaus einen Sinn, wenn man weiß, dass 2003 ein knapp 30jähriger Chinese das Bauwerk mal eben mit bloßen Händen erstieg. Nach einer knappen Stunde begebe ich mich wieder nach unten und laufe zum “Oriental-Pearl-Tower” dem Fernsehturm und Wahrzeichen der Stadt. Ich spare mir die 10€ für den Eintritt zur Aussichtsplattform, genieße stattdessen das beeindruckende Bauwerk von unten, und nehme mir schließlich ein Taxi zurück zum People’s Square, wo ich mir einmal ein “richtiges” Kaufhaus von innen ansehe. Dagegen ist alles, was wir in Deutschland so haben, der reinste Kindergeburtstag.
Do 17.11. – Dritter Tag
Sven hat mir den Yu Garten empfohlen, den letzten chinesischen Garten in ganz Shanghai. Ich fahre mit ihm um 8:15 zum People’s Square, da er dort ohnehin arbeitet. Die Fangbang Lu ist einfach zu finden, aber länger als sie auf dem Plan aussieht. Uns so erlebe ich die ersten zwei Stunden das Gewirr der kleinen Gassen der chinesischen Altstadt bei strahlendem Sonnenschein. Hier wird die Wäsche am Straßenrand gewaschen, auf langen Stangen zum Trocknen aufgehängt und jeder verkauft irgendein Gemüse. Ein alter Mann sitzt an einem ebenso alten Tisch in der Sonne und malt mit unendlicher Geduld ein chinesisches Schriftzeichen nach dem anderen auf eine Serviette. Idylle pur.Nach einer Weile stoße ich dann auf den anderen Teil der Fangbang Lu – ein Touristenmagnet ohnegleichen. Ein Neppgeschäft neben dem anderen und komplette Anzüge für 15€, ein bisschen wie die Rüdesheimer Drosselgasse, nur länger. Dann entdecke ich das “Shanghai Shopping Emporium”. Hier gibt es alles – man muss es nur finden. Man stelle sich einen 1€ Restpostenmarkt von der Größe eines Karstadt vor … allerdings weit von allem entfernt, was man aus Deutschland gewöhnt ist. Die Gänge sind so eng, dass gerade mal zwei Personen aneinander vorbei passen, überall liegt Verpackungsfolie und da es gerade auf die Mittagszeit zugeht, sitzen überall Verkäufer bei den unterschiedlichsten Mittagessen, die man vor dem Kaufhaus erwerben kann. Ein Albtraum für jeden deutschen Brandschutzbeauftragten. Ich sehe nicht viele Europäer in diesem Laden und erstehe 20 hölzerne Essstäbchen für gerade mal 1,50€ – runtergehandelt von einem Startpreis von knapp 5€.
Sven ruft mich an, und wir gehen gemeinsam mit Arbeitskollegen im Raffles Food Court essen – sehr vorteilhaft für Europäer ohne Chinesischkenntnisse – alle Speisen sind showcase-mäßig mit Mustern und Preisen präsentiert und man muss sich einfach nur was optisch leckeres raussuchen. Allerdings muss man wissen, dass man nur mit einer aufladbaren Paycard zahlen kann, aber das bekommt man auch im Zweifel mit wilden Gesten verständlich klar gemacht. Hier bekommt man für 2€ leckere, scharfe Wokgerichte mit Reis und Suppe (die man allerdings geschmacklich getrost vergessen kann), selbstgemachte Nudeln mit Beef in aromatischer Suppe oder selbst Pizza, die für mich in China allerdings wirklich nicht zu meinen preferierten Speisen zählt.Im Anschluss düse ich per Taxi zurück in die Fangbang Lu und finde dort tatsächlich den berühmten Yu Garden, dessen Eingang zwischen lauter Touristenattraktionen definitiv untergeht. Ein sehr schöner “Garten” mit der in China üblichen Harmonie zwischen Gebäuden, Wasser, Pflanzen und Steinen. Es ist etwas schwierig zwischen den ganzen geführten Touristengruppen stimmungsvolle Bilder zu erhaschen, und zu schießen, aber ich habe Glück und erwische ein paar ruhige Minuten, in denen man auch einfach nur in einem kleinen Teepavillon am Wasser sitzen und die Seele baumeln lassen kann.
Auf dem Rückweg durch das alte Chinesenviertel entdecke ich noch eine original chinesische Markthalle. Ein echtes Erlebnis. Hier liegt das rohe Fleisch ohne Kühlung lose auf einem alten Holztisch, darüber ein ehemaliger Deckenventilator, allerdings ohne Rotorblätter – dieser wurden durch ein Stoffband ersetzt, das nun durch die Gegend wedelt und wohl die Fliegen verscheuchen soll. Ich entdecke Dutzende von Gemüsesorten, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Als ich merke, dass im hinteren Drittel des Marktes auch lebende Hühner verkauft werde, entschließe ich mich jedoch, mich aus dem Staub zu machen. Angst habe ich vor der Vogelgrippe zwar keine, aber man muss es ja nicht übertreiben. Beim Verlassen des Marktes entdecke ich doch tatsächlich einen winzigen chinesischen Weinstand in dem verschiedene Sorten Rotwein mit nicht einem europäischen Schriftzeichen auf dem Etikett verkauft werden. Ich erstehe eine Flasche 1990er Cabernet Sauvignon für ganze 3,60€ – absoluter Spitzenpreis, wenn man bedenkt, dass im Carrefours die Flasche Rotwein bei ca. 15€ startet – und der Stoff war gar nicht mal schlecht!So langsam merke ich aber meine Beine, und da es ohnehin 17:00 ist, und dunkel wird, fahre ich zurück ins Compound, stelle allerdings fest, dass es während der Rush-Hour gar nicht so einfach ist, ein Taxi zu bekommen. Ich fahre mit Sven dann noch ins Carrefour Gubai, eine Monster-Mall, in der es echt alles gibt. Interessant sind die lebenden Frösche, Schildkröten und Pfeilschwanzkrebse in der Lebensmittelabteilung, und die Preise für Sushi: 10er Pack Maki für einen entspannten Euro. Klar, dass ich da zuschlagen muss.
Abends schleppt Sven mich dann durch die Clubs: Wir essen beim “Simply Thai” in Xintiandi – wirklich empfehlenswert – und ziehen weiter ins “Face” mit einer tollen Atmosphäre und vorwiegend europäischem Publikum. Anschließend in die Maoming Lu wo wir die “Buddha Bar” und das andere “Manhattan” unsicher machen. Hier treffen wir auch wieder unsere chinesischen Bekannten Karen und Tandy sowie deren diverse Freundinnen, die uns später noch ins “Ala House” begleiten. Ab da wird’s etwas unscharf, da die Flasche Jack Daniels im Shanghaier Nachtleben gerade mal 40€ kostet, und wir alle ziemlich durstig sind … Sven verabschiedet sich so gegen 3:00 aber ich bin gerade in Feierlaune und will unbedingt noch bleiben. Sven macht sich ein bisschen Sorgen, ob ich das Compound wiederfinde, dass schließlich etwas abgelegen im westlichen Teil von Shanghai liegt, und man den Taxifahrer zunächst zur nächstgelegenen Hauptstraße und dann mit Taxichinesisch um ein paar Ecken lotsen muss. Aber ich bin fest überzeugt, dass ich damit kein Problem habe. Ich feiere mit den Mädels noch bis um sechs Uhr und komme dann auf die Schnapsidee noch mal ins “Babyface” zu laufen – da hatte es mir gefallen. Nach ein paar Straßen überkommt mich jedoch die Müdigkeit und ich schnappe mir ein Taxi und schaffe es tatsächlich – wie auch immer – nach Hause. Leider hab ich irgendwo an dem Abend meinen Schlüssel verloren, also bin ich peinlicherweise gezwungen Sabine und Sven rauszuklingeln, was die Zwei allerdings netterweise mit dem lockeren Kommentar abtun, sie hätten ohnehin eine halbe Stunde später aufstehen müssen…
18.11. – Vierter Tag
Wer glaubt, dass ich nach einem solchen Abend schon wieder fit für neue Abenteuer bin, der irrt gewaltig. Eigentlich wollte ich mit Sabine auf den Markt fahren – wir verschieben das auf nächste Woche, und ich entscheide mich, meinen mächtigen Kater auf der Couch zu kurieren, viel zu schlafen und mir lustige, traditionelle chinesische Soap-Märchen anzuschauen.
19.11. – Fünfter Tag
Heute regnet es leicht. Ich fahre mit Sven zunächst zum Blumenmarkt. Hier gibt es nicht nur Blumen, sondern auch Möbel, Deko-Gegenstände, und alles, was man so für die Ausstattung einer Wohnung brauchen kann. Der Longhua Tempel liegt gar nicht so weit entfernt, und das Wetter schreit nach Indoor-Aktivitäten, also klinke ich mich gegen Mittag aus, um mir wieder etwas Kultur zuzuführen. Da es mir heute etwas im Magen rumort, esse ich lieber im chinesischen Kentucky Fried Chicken, der direkt gegenüber dem Tempel auf der anderen Straßenseite liegt. Vor dem Tempel ist direkt neben einer wunderschönen, wenn auch sehr dominanten Pagode eine Art Touristik-Messe für Chinesen, wo man Produkte und Wissenswertes über irgendeine chin. Region präsentiert. Leider alles in Landessprache, sodass ich nur die visuellen Eindrücke auf mich wirken lassen kann. Der Tempel ist auch bei Regen sehr schön und interessant, allerdings muss ich mich erst überwinden dort zu fotografieren, wo andere Menschen zu Ihren Göttern beten. Allerdings merke ich bald, dass die Menschen hier, genau wie auch im chinesischen Viertel, den fotografierenden Touristen völlig unvoreingenommen und aufgeschlossen entgegentreten und sich von einem Fotoapparat offensichtlich in keiner Weise gestört oder gar belästigt fühlen. Besonders interessant sind die vielen liebvollen Details und Fabelmotive, die sich überall in Türknäufen, Gefäßfüßen und allen möglichen anderen Stellen verstecken.Gleich neben dem Tempel befindet sich der Friedhof der “Märtyrer der Revolution” mit dem dazugehörigen Mausoleum. Einer der wenigen Orte, wo man den kommunistischen / totalitären Einfluss fast schon bedrückend körperlich spürt. Die Heldenstatuen sprechen für sich – man hat fast den Eindruck, als wären die X-Men aus den Marvel-Comics extra dafür nach China gekommen. Das ganze Areal macht einen bewusst unterkühlten, unpersönlichen Eindruck. Dazu kommt noch, dass ich – möglicherweise Aufgrund der Wetterlage – nahezu alleine auf dem Gelände bin. Als ich den unterirdischen Mahngang für die getöteten Revolutionäre erforsche, schießen mir unwillkürlich ein paar Worte durch den Kopf: “Spooky, Mulder, isn’t it?”. In der Tat, das könnte ein guter Drehort für eine Folge X-Files sein. Gruselig. Das Mausoleum selbst ist relativ unspektakulär – hier werden alle Revolutionäre namentlich mit Herkunft und Lebenslauf aufgelistet und es werden alle möglichen Gegenstände gehortet, die diese heroischen Persönlichkeiten auch nur angefasst haben – von getragenen Mänteln über Ferngläsern bis zum Gartenschlauch.
Abends sind Sven und Sabine auf einen Ball eingeladen. Da die französische Friseurin ohnehin im Haus ist, lasse ich mir bei der Gelegenheit gleich die Haare schneiden, und wir unterhalten uns in einem amüsanten Mix aus französich, englisch und deutsch, da sie mit ihrem Freund eine Weile in Hamburg gelebt hat. Damit ich Abends nicht alleine los muss, hab ich am Dienstag gleich ein Date mit Tandy organisiert, das allerdings nicht ganz ohne Hindernisse ablaufen soll.
Wir SMSen uns zusammen und verabreden uns im “Face” zu treffen. Irgendwie bleibt Sie aber noch auf einem Business-Termin hängen und so laufe ich die paar Meter bis in die Buddha-Bar, da ich weiß, das Karen und die anderen dort sind. Die freuen sich auch, mich zu sehen und nach ein paar Drinks meldet sich auch Tandy und sagt, sie wäre jetzt bald da. An der Bar quatscht mich dann noch eine kleine Chinesin an, und meint wohl, ich müsste sie kennen. Ich vermute, dass das wohl an dem verschwommenen Donnerstag gewesen sein muss, und mache ein bisschen Smalltalk mit ihr, verliere Sie aber dann aus den Augen. Kurz darauf ruft Tandy erneut an, und meint, Sie wäre jetzt vor der Bar, also gehe ich vor die Tür – und stehe genau vor der kleinen Chinesin von eben. Au weia, das fängt ja gut an … warum müssen die sich auch alle so ähnlich sehen. Wir verbringen noch einen netten Abend im “Mint”, “DKD” und “Dragon Club”, und so gegen vier verabschiedet sie sich, während ich noch mit einem Haufen französischer Expats eine Weile feiere. Meine Jacke habe ich irgendwann auf einem der Sofas deponiert und suche sie am Schluß verzweifelt, bis mir bewusst wird, dass der Laden zwei nahezu baugleiche Stockwerke hat… Als ich schließlich aus der Tür trete um nach Hause zu fahren ist es schon heller Morgen – das hatte ich auch lange nicht mehr.
20.11. – Sechster Tag
Heute ist Brunchen im Mariott angesagt. Ein mörder-geiles All-you-can-eat Buffet für 20€ mit Sekt “Continuous Flow”, solange noch was reingeht. Schlemmen vom Feinsten: Sushi, Baby-Lobster, King-Prawns vom Grill, Austern, dutzende Salate, Lammfilets and more – und das Glas ist noch nicht richtig leer, da kommt die Bedienung schon angeschossen und füllt auf – genial! Genau das richtige um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen und den gestrigen Abend zu kompensieren.
Um den Tag nicht zu anstrengend zu gestalten, nimmt mich Sven dann mit auf den XiangYang-Fake-Market in der HuaiHai Lu. Ein echter Funfaktor, wenn man mit penetranten Verkäufern gut klarkommt und auf Handeln bis zum Abwinken steht. Ich erstehe diverse Mitbringsel und habe einen Riesenspaß mit einem ca. 14-jährigen Verkäufer, der mir eine Jacke für 10€ verkaufen will. Als ich mit fünf Euro kontere, höre ich ein trockenes “Take it off” (zieh sie aus) … und der Knabe war um nichts in der Welt dazu zu bewegen mit dem Preis herunterzugehen. Und das alles mit einer extrem smarten coolen Art, die mir so imponiert hat, dass ich die Jacke tatsächlich für den Anfangspreis gekauft habe.
Sven und ich essen noch einen Döner und beschließen, den Tag damit zu beenden.